Adel verpflichtet – Keira Knightley liebt und leidet als “Die Herzogin”

Modeikone, Schönheitsideal, politische Aktivistin – Georgiana Spencer, Herzogin von Devonshire (Keira Knightley) zeigte der Öffentlichkeit Zeit ihres Lebens ein strahlendes Gesicht. Privat war die lebenshungrige Gesellschaftsdame gefangen in einer lieblosen Ehe. In den Augen ihres Gatten (Ralph Fiennes) Herzog von Devonshire versagte sie als Ehefrau, da sie lange keinen Sohn bekam. Er begann eine Affäre mit Georgianas Freundin Bess Foster (Hayley Atwell). Zusätzlich erniedrigend für Georgiana ist das Zusammenleben mit dem illegitimen Paar, dem Herzog und Bess. Da verliebt sie sich in den aufstrebenden Politiker Charles Grey. Die auf dem gesellschaftlichen Parkett so trittsichere Frau gerät ins Straucheln. Kurz nachdem sie ihrem Mann den ersehnten Sohn schenkt, wird sie von Grey schwanger. Um sein Gesicht zu wahren, ist der Herzog entschlossen, Mutter und Kind zu trennen und die Affäre seiner Frau zu unterbinden.

“Ihr Männer habt so viele Wege, euch auszudrücken. Uns bleibt nur unsere Kleidung.” Die Auswirkung gesellschaftlicher Einschränkung auf die Modetorheiten und Prunksucht ihrer Zeit lassen sich treffender als mit Georgianas Worten kaum beschreiben. Stärker als in anderen Epochen war Kleidung Ausdruck des sozialen Standes, Mittel zur Vermittlung der eigenen Gesinnung, politischer oder privater Natur. Mit einer Haube anstelle eines Hutes bezeugt Georgiana ihre Sympathie für die einfache Bevölkerung. Gesetztheit begründete jedoch nicht den Ruhm der realen Herzogin von Devonshire. Modische Gewagtheiten nutzte sie genauso wie Witz und Koketterie, um in den gehobenen Kreisen Aufsehen zu erregen. Dieses wiederum instrumentalisierte die geschickte Strategin zu Gunsten ihrer politischen Belange. Als Frau jedoch blieb ihr ein berufliches Agieren für die von ihr favorisierte Whig-Partei untersagt.

In einer Szenen zeigt die Kamera Georgianas von feinen Striemen übersäten Rücken. Sie stammen von ihrem Korsett. Die einschnürende Hülle ist fort. Deren Spuren aber deutlich sichtbar. Die Verfilmung des Briefromans “Gefährliche Liebschaften” beginnt mit der expliziten Dokumentierung des aufwendigen Ankleiderituals der Hauptfiguren. Georgiana legt ihre Psyche symbolisch durch Entkleiden offen. Ihre Kleidung bestimmt die äußere Wahrnehmung ihrer Persönlichkeiten gleich einem Kostüms, Schminke und Perücke kommen die Funktion der Maske zu. Bei einem Ball entzündet sich die Perücke der angetrunkenen Georgiana an einer Kerze. Entflammt ist sie auch für Charles Gray. Tatsächliches wie emotionales Feuer bemerkt sie erst, als die anderen sie entsetzt darauf hinweisen. Brüskiert lässt ihr Ehemann den brennenden Kopfputz löschen, ähnlich gefühlskalt will er die Liebe seiner Frau zu einem anderen ersticken. Nicht der feurige Liebhaber Grey ist männliche Hauptfigur des Films, sondern der Herzog. Ralph Fiennes spielt ihn als stillen Gegner und unwissentlichen Geistesverwandten Georgianas. Genau wie sie ist er Gefangener seiner Klasse und deren sittlichen Konventionen unterworfen. Zwar kann er sich als Mann über einige hinwegsetzten, dafür lasten andere auf ihm. So ist das Zeugen eines Erben eine Anforderung an ihn, an welcher er fast zerbricht. Die Gesellschaft hat seine Gefühle abgestumpft. Von seiner wahren Liebe Bess trennt ihn die Konvention genauso, wie Georgiana von Grey.

“Die Herzogin” ist ein Kostümdrama im positiven Sinne, denn statt die Ausstattung auf Staffage zu Reduzieren, misst ihr der Film symbolische Bedeutung zu. Ganz wagt sich Regisseur Saul Dibb nicht um Opulenz und auch Kitsch zu drücken. Röcke rauschen, Damast wallt im Kerzenschein. Gleichzeitig arrangiert “Die Herzogin” jedoch aussagekräftige Szenengemälde. In dem barocken Hochzeitsgemach erlebt Georgiana keine rauschende Liebesnacht. Den Beischlaf mit ihr hat der Herzog nur zweckgebunden zur Zeugung eines Sohnes. Näher als seine Familie sind ihm seine Hunde. Später ist es seine Geliebte Bess. Bei Tisch sitzt sie zwischen ihm und Georgiana, trennend und verbindend zugleich. Dies symbolisiert ebenso Bess Hin- und Hergerissensein zwischen ihrer besten Freundin Georgiana und Liebhaber. Trotz inszenatorischer Schwächen wie dem gelegentlichen abgleiten ins Melodramatische und mehr als einer Anbiederung an den Massengeschmack ist “Die Herzogin” ein angenehm strenger und überraschend ernsthafter Film. Für die im Film zitierte “Schule des Skandals” fehlt es dem Drama dennoch an Pikanterie.

Titel: Die Herzogin – The Duchess

Kinostart: 26. März 2009

Regie: Saul Dibb

Drehbuch: Jefferey Hatcher, Saul Dibb

Darsteller: Keira Knightley, Ralph Fiennes, Charlotte Rampling, Hayley Atwell

Verleih: Kinowelt

Internet: www.presse.kinowelt.de

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